Verfließung

Julia Jörke und Marlene Hochheiser

Ver|flie|ßung ; 1. verschwimmen 2 .zusammenließen; zusammen, ineinander ließen, ineinader übergehen, eine Einheit
bilden, es gibt keine Grenzen mehr; Verließung des einzelnen zu einer Einheit ( Gemeinschaft).

Der Jugendstil
Die Jahrhundertwende um 1900 markierte in Deutschland den entscheidenden Beginn der Moderne mit der Epoche des Jugendstils. Gesellschaftlicher Hintergrund für die Entstehung des Jugendstils ist die stark einsetzende Industrialisierung. Das traditionelle Handwerk verlor zunehmend an seiner Bedeutung aufgrund bedeutend billiger Massenfertigung in der Industrie. Funktions – und materialgerechtes Bauen ermöglicht die Anwendung neuer Baustoffe wie Gusseisen, Glas, Stahl oder Beton. Ziel des Jugendstils war eine Abkehr des Historismus und eine Suche nach neuen Formen durch eine Verbindung von Architektur, Handwerk und Kunst zu einem einheitlichen Gesamtwerk. Dabei soll dekorative Schönheit in den Vordergrund treten. Formen werden von der Natur abgeleitet und wiederholend mit loralen und geometrischen sowie symmetrischen Elementen geschmückt. Farbe wurde zu einem großen Thema. Zunächst ist diese Forderung lediglich auf den Innenraum ausgerichtet, später greift sie als zusätzliches Schmuckelement auf die Fassade über.
Das gesellschaftliche Leben war gespalten und in zwei Schichten aufgeteilt. Fließendes warmes Wasser und zentrale Heizungen in Wohnräumen bildeten die Ausnahme. Öffentliche Badeanstalten und Bäder stellten eine zentrale Aufgabe für Architekten und Ingenieure. Sie waren Mittelpunkt und Treffpunkt zugleich. Dabei erfolgte eine strikte Trennung nach Geschlecht.

Konzept: Verfließung
Wasser ist das zentrale Element des Entwurfs und als Herleitung für das Konzept. Das Element wiederspiegelt zum Einen das wichtigstes Merkmal des Jugendstilbads und zum Anderen den Standort unseres Jugendstilbads, an der Sieg wieder.
Außerdem verfließen wir:

  • Das Jugendstilbad mit dem im Entwurf neu entworfenen Gebäude
  • Die Geschichte des Jugendstilbads und die Postmoderne
  • Die Wohneinheiten untereinander
  • Arbeiten und Wohnen
  • Öffentliche und private Bereiche
  • Ruhe und Belebung
  • Horizontal und Vertikal
  • Grünlächen und Wohnlächen
  • Altersgruppen
  • Blickrichtungen
  • Preisklassen

Die Kunstform des Jugendstils richtete sich vor Allem gegen Althergebrachtes und Bekanntes und bringt den Wunsch des Künstlers zum Ausdruck, etwas Neues und somit einen eigenen Stil zu inden. Hierbei geht es meist nicht nur um einzelne Ansätze, sondern um gesamtkünstlerische Gestaltungen, die ganze Gebäude und Gebäudekomplexe in einem einheitlichen Stil entstehen ließen, der darüber hinaus auch auf die Innenausstattung übertragen wurde.
Ausgehend von dem Ursprungsgedanken eines einheitlichen Gesamtkunstwerks, noch vorhandener Merkmale des Bads, sowie unter Berücksichtigung des Eingriffs im Jahre 1968, und das Element Wasser entsteht eine neue Interpretation des Jugendstilbads. Das Bad soll als Mittelpunkt und Treffpunkt des Viertels und der Stadt gelten.

Städtebau
Das Jugendstilbad in Siegen ist nach Außen abgekehrt und unscheinbar. Erst im Inneren wird einem die Besonderheit bewusst. Basierend auf diesem Gedanken, sowie durch die passiven Bereiche von Straßenlucht, Bahndamm und Hauptstraße, entsteht eine harte Kante der Außenseite des Gebäudekomplexes, die im Inneren aufgelockert und einen Kontrast dazu bildet. Das Jugendstilbad wird als Mittelpunkt am Wasser des Baugrundstücks gewählt. Die neue Bebauung soll sich um das Bad schmiegen, diese einrahmen und präsentieren. Aus diesem Grund passen sich die Höhen dem Konzept der Verließung an und werden zum Wasser und zum Bad hin niedriger. Ausgehend von einer maximalen Bebauung und gleichzeitig ausreichenden Aufenthaltslächen, Belüftung und Belichtung für die Bewohner entsteht der Entwurf.

Das Jugendstilbad
Das Thema „Wasser“ wird in dem Jugendstilbad erneut aufgelebt und die bestehenden Betondecken teilweise entfernt. Das ehemalige Schwimmbecken wird wieder mit Wasser gefüllt und erfährt durch Holzstege ein besondere Wahrnehmung für den Menschen. Ein verglastes Dach, mit dem das Regenwasser durch Akustik oder durch schimmern im Zusammenspiel mit Sonnenstrahlen wahrgenommen werden kann, zieht die Blicke auf sich.
Ein neuer transparenter Eingang wird in der Mitte der längeren Seite geschaffen, der auch gleichzeitig Mitte des Vorplatzes ist. Ein weiterer verglaster Eingang entsteht auf Seiten der Sieg. Somit hat man schon von Außen einen Blick durch die Halle. Eine Treppe zum Wasser verbindet das Jugendstilbad mit dem ließendem Wasser der Sieg. Somit laufen alle Elemente des Wassers im Jugendstilbad zusammen: Sieg, ehemaliges Bad und Regen. Dies geschieht in ließender, stehender
und fallender Form. Das Jugendstilbad bildet den Mittelpunkt des Mittelpunkts.
Aus dem Jugendstilbad wird ein Kulturzentrum, das als Multifunktionshalle dient. Hier inden verschiedene Ausstellungen, Kreativmärkte, Vernissagen, klassische Konzerte oder Filmvorführungen statt. Ein mietbarer Veranstaltungsraum bietet zusätzlich Platz für private Feiern. Das Raster von 6x4m ist an das Stützraster des Jugendstilbades angelehnt und ergibt ein einfaches und klares Raumprogramm der Bebauung und Module.

Das Gebäude
Der Gebäudekomplex bildet eine Einheit. Die Grenzen werden aufgehoben, sodass alle Bereiche ineinander verließen. Stege und Treppen verdeutlichen dies. Eine ersichtliche horizontale und vertikale Unterscheidung zwischen Gewerbe, Büro und Wohnen liegt nicht vor.
Die Gemeinschaft wird durch ein Miteinander gestärkt und der Gebäudekomplex ist erlebbar. Dazu dienen die verschiedenen Bereiche, wie zum Beispiel eine Kinderbetreuung für Büroangestellte und Bewohner, ein Café verließt zum Bad, ein Fitnessstudio, das um eine Sauna erweitert wird, ein Gemeinschaftsraum, studentische Arbeitsplätze, ein Bäcker, ein Blumenladen, ein Nachhilfezentrum, ein Ruhe – und Leseraum, eine Bibliothek für die Auszubildenden der  gegenüberliegende medizinischen Einrichtung, ein Copyshop, eine Fahrradwerkstatt, ein Kochstudio sowie diverse Ärzte, Anwälte, Ateliers, Vereinsräume und (mietbare) Büros.
Das Gebäude schafft Platz für die verschiedensten Menschen aller Altersgruppen und Berufsbereiche. Ebenfalls ist das Gebäude durch den Einbau eines Aufzugs barrierefrei. Insgesamt entstehen 29 Wohnungen unterschiedlichster Größe für etwa 75 Bewohner, 15 Büros für etwa 150 Mitarbeiter, die einzeln gemietet werden können, sich aber auch erweitern lassen, sowie 17 Gewerbe-, Dienstleistungs- und Gemeinschaftsräume, die als Treffpunkt dienen sollen.

 Lageplan

Piktogramme, Konzepte

Grundrisse

Ansichten, Schnitte, Details

Visualisierung