Stefan Bette

Aufgabenstellung
Am Fuße des Rothaarsteiges, in der Stadt Hilchenbach, soll zur Attraktivierung der Innenstadt eine neue Bibliothek entstehen, die multifunktionale Aufgaben zu erfüllen hat. Diese ist öffentlicher Raum zu gestalten. Sie dient Jung und Alt als Treffpunkt, Raum zur Forschung und lebenslangem Lernen, zur Information zu aktuellen Themen, digitale sowohl analoge Medien sind hier frei zugänglich und natürlich auch ausleihbar. Vernetzung und Kommunikationsbereiche stehen im Vordergrund. Die neue Bibliothek wird ein Attraktor für das Umfeld. Die Lage am Bahnhofvorbereich wird als Chance für eine nachhaltige (innerörtliche) Entwicklung gesehen.

Die Lage und städtebauliche Einbindung
Bei dem zu beplanenden Gebiet handelt es sich um das Bahnhofsareal der Stadt Hilchenbach. Der Ort hat ca. 15000 Einwohner und liegt innerhalb des Siegerlands im Südwestteil des Rothaargebirges. Sein Stadtgebiet grenzt im Süden an Netphen, im Westen an Kreuztal, im Norden an Kirchhundem und im Osten an Erndtebrück. Das Plangebiet befindet sich leicht südlich des Zentrums und stellt sich bei der ersten Einschätzung auf Grund seiner etwas dezentralen Lage und umgeben von Industriebauten als Herausforderung dar. Bei genauerer Betrachtung bietet das Areal eine reelle Chance zur Weiterentwicklung des Ortes, vor allem in Hinblick auf die städtebauliche Gesamtentwicklung des Ortkerns und dessen Wiedereinbeziehung des Bahnhogsgeländes. Die Bibliothek stellt eine Verbindung zwischen Stadtkern und Bahnhof dar, in dem sie als „Attraktor“ einen neuen Punkt städtischen Lebens schafft.
Bahnreisende und alle Pkw-Fahrer die aus Siegen/Kreuztal oder von der A4 kommen und in Richtung Wittgenstein oder Sauerland wollen, kommen durch Hilchenbach hindurch. Zudem liegen zahlreiche Wanderwege um die Stadt herum – Hilchenbach ist somit eines der Tore zum Rothaarsteig.

Entwurfsgedanke
Die Formgebung des Kerngebäudes lehnt sich in abstrahierter Form an ein aufgeschlagenes Buch an. Der zentrale Kern – den Mittelpunkt des Gebäudes – bildet ein großzügiges Foyer. Um diesen Mittelpunkt zu einem erlebbaren Ort zu machen, manifestiert sich ein voluminöser Baum zentral im lichtdurchfluteten Atrium. Dort kann man sich aufhalten, lesen, unterhalten und austauschen. Gleichzeitig orientiert sich der Besucher in dem Foyer, da es als Verteiler zu den unterschiedlichen Bibliotheksbereichen dient. Ein belebter, kommunikativer Raum soll geschaffen werden. Ebenso ist das offen gestaltete Entree ein attraktiver Wartebereich für Bahnreisende, die durch die Atmosphäre innerhalb der Bibliothekauch zum längeren Verweilen angeregt werden.
Als Verbindung des außen gelegenen öffentlichen Bereiches zum inneren halb-öffentlichen, wird das „aufgeschlagene Buch“ mit seinen terrassierten Geschossen von einer Glasfassade umhüllt. Diese stellt ein Schaufenster in alle Richtungen dar und macht das Innenleben der Bibliothek nach außen sichtbar. Ein fließender Übergang von öffentlich zu halb- öffentlich ist ablesbar. Besonders am Abend ist die besondere Atmosphäre durch die Beleuchtung im Innen- wie im Außenraum zu erleben.
Etwas abgerückt von der Glasfassade stehen sich zwei massive, abgetreppte Holzgebäude gegenüber, in denen sich die verschiedenen Funktionsbereiche der Bibliothek befinden. Dazu gehören die einzelnen Themenbereiche der Literatur, aber auch Verwaltung, Magazin und Café. Der Baustoff Holz kommt hier maßgeblich zum Einsatz. In diesem Kern ist man im intimsten Teil der Bibliothek. Um die erforderliche Behaglichkeit zu erzielen, ist die Wahl auf das warme Material Holz gefallen. Bibliotheken erfordern unterbewusst immer eine aufgezwungene Ruhe. Um dieses Gefühl beim Besucher zu durchbrechen, sind vorgelagerte Kommunikationszonen auf den Abtreppungen mit speziell eingerichteten Interaktionsbereichen im Kern auf jeder Ebene verknüpft. So wird auf jeden Besucher mit seinen eigenen Nutzungsansprüchen eingegangen. Auch in der Fassade ist das Zusammenspiel, in abstrakter Form, zwischen laut und leise zu erkennen: Je nach Bereich wechseln sich vollverglaste Fensterscheiben mit einer durch vertikale Holzverschalung geschützte Fensterelemente ab.

Konstruktion Glasfassade
Bei der äußeren Hülle handelt es sich um eine durchgängige Pfostenriegelkonstruktion mit einem speziellen Einscheiben-Sicherheitsglas, ESG-H. Dieses Einscheiben-Sicherheitsglas wurde dem sogenannten Heat-Soak-Test oder Heißlagerungstest unterzogen. Dabei wird das Glas wie normales ESG erzeugt und anschließend bei einer Temperatur von 280 bis 300 Grad Celsius mehrere Stunden heiß gelagert. Diese zusätzliche Prozedur reduziert stark die durch Nickel(II)-Sulfideinschlüsse ausgelösten, in der Praxis allerdings eher selten vorkommenden,
Spontanbrüche von normalem ESG.

Tragwerk Glasfassade
Die Aussteifung der Pfosten-Riegel-Konstruktion wird durch ein dahinter angebrachtes Stahlrohrfachwerk erreicht. Um die Fassade so filigran wie möglich wirken zu lassen wurden Profile mit den gleichen Abmessungen der Pfosten-Riegel-Konstruktion von 200/80mm gewählt. Das Stahlrohrfachwerk wiederum ist punktuell mit der inneren Fassade verbunden zur Aufnahme der Windlasten, Ausführung gem. Brandschutzanforderungen nach VstättVO F120 und gem. Statik.

Lüftungskonzept
Durch die Glasfassade, die über das innere Gebäude gestülpt ist, entsteht ein Haus-im-Haus-Prinzip. Der großzügige Zwischenraum zwischen Primärkonstruktion und Kerngebäude dient als Pufferzone, in dem sie sich dich niedrigen Transmissionswärmeverluste und solaren Gewinne im Winter zu nutzen macht. Außerdem sorgt die äußere Hülle für adäquaten Schallschutz gegenüber der Geräuschbelastung durch die Hauptstraße und den Zugverkehr.
Um die benötigte Frischluft vor allem im Winter vorzuwärmen, kommen Erdwärmeregister zum Einsatz. Diese heizen die zugeführte Außenluft auf ca. 8° auf. Die Zuluft wird dann mittels unten an der Glasfassade angebrachten automatischen Lüftungsklappen und einer kontrollierten Lüftungsanlage in die in die Pufferzone geleitet und erwärmt sich dort durch die Sonneneinstrahlung weiter. Die Zuluft wird auf allen Ebenen verteilt.
Mit Hilfe der Lüftungsanlage wird die dann entstandene Abluft wieder angesogen und nach draußen abgeleitet. Dabei entsteht wiederrum Energie, die zur Vorerwärmung der Außenluft genutzt werden kann und so dem Prinzip der Wärmerückgewinnung folgt.
Im Sommer helfen die Erdwärmeregister die warme Außenluft vor der Verteilung im Innenraum vorzukühlen. Das Prinzip wird also umgekehrt. Zusammen mit der Hinterlüftung durch das Doppelfassadenprinzip ist so einer Überhitzung im Sommer vorgebeugt, da der Zwischenraum so groß gewählt ist, dass sich dort keine Hitze stauen kann. Zusätzlich wird das o.g. spezielle Einscheiben-Sicherheitsglas ESG-H verwendet. Hierbei handelt es sich um ein Isolierglas, das gleichzeitig Sonnenschutzglas und Wärmedämmglas ist. Dieses zeichnet sich durch einen hohen Tageslichtanteil bei gleichzeitig hohem Sonnenschutz aus.

Konzept

Grundrisse

Ansichten und Schnitte

Visualisierungen