Verfasser: Oliver Ebert, Patrick Schönemann

Einleitung

  • 01-AbstractEine Stadt hat die Aufgabe, schnelle und vielfältige Kommunikation und Interaktion durch räumliche Nähe zu erlauben und zu fördern.
  • Sie übernimmt Funktionen wie Arbeiten, Versorgung, Wohnen, Bilden und Erholen, für die räumliche Nähe bislang unabdingbar war.
  • Durch die rasante Verbreitung neuer Kommunikationstechnologien verliert der Vorzug, Funktionen durch räumliche Nähe zu verbinden, jedoch an Bedeutung.
  • Viele Funktionen, die bislang an Gegenstände und Orte gebunden waren, werden nun von den neuen Technologien übernommen. 
  • Besonders Versorgungs- Bildungs- und Dienstleistungseinrichtungen sind zum Teil als nicht mehr ortsgebunden anzusehen.
  • Dies stellt eine Herausforderung, sowie eine große Chance für die Stadt dar.
  • 01-Stadtr.cSie wird zwar einen Teil ihrer Funktionen an die neuen Kommunikationstechnologien abgeben, dies bedeutet jedoch nicht, dass die räumliche Verdichtung der Stadt als solches überflüssig wird.
  • Die Stadt als Ballungszentrum von Menschen, als Ort zwischenmenschlichen Austausches, sollte wieder verstärkt an Bedeutung gewinnen.
  • Es gibt einige Kommunikationsformen, besonders im  zwischenmenschlichen Bereich, wie z.B. die Vermittlung von Stimmungen und Gefühlen, die das globale Netz nicht erfüllen kann.
  • Hier liegt eine der zukünftigen Aufgaben der Stadt. 
  • Sie soll wieder zu einem Ort für die Menschen werden, Beziehungen und Kommunikation fördern. 
  • Die Stadt muss wieder zum öffentlichen Raum des Menschen werden, mit Plätzen, Treffpunkten und Erholungsflächen, an denen gesellschaftliches Leben gefördert wird und für den die Menschen Verantwortung übernehmen. 
  • 02-InterfaceEigenverantwortung für ihren Stadtraum können die Bewohner nur entwickeln, wenn sie in den Planungs- und Gestaltungsprozess mit einbezogen werden.
  • Um dieses Ziel zu erreichen, schlagen die Verfasser ein Computersystem vor, das die Stadt in diesem Entwicklungsprozess unterstützend begleitet. 
  • Es soll die Bewohner anregen, sich mit dem Stadtraum auseinanderzusetzen und mit seiner Hilfe ein Gemeinwesen zu erarbeiten.
  • Schwerpunkt der Arbeit ist die Entwicklung von Schnittstellen, mit denen der Bürger in einem intermedialem Stadtrundgang gestalterisch auf den Stadtraum einwirken kann, indem er an ausgewählten Plätzen mediale Ebenen steuert und manipuliert.

Beispiele von Stadtraumcomputern

  • Zunächst haben die Verfasser nach Beispielen bereits bestehender Interaktiver Schnittstellen gesucht.
  • Eine Form von Stadtraumcomputer ist z.B. die Verkehrsampel. Sie regelt den Verkehr in einer Stadt. Sie kommuniziert mit den Verkehrsteilnehmern mittels einfacher Signalbilder. Über Induktionsschleifen in der Fahrbahn und Schaltflächen an Fußgängerampeln kann das Zeitintervall beeinflusst werden. (Auf Aktion folgt Reaktion)
  • Parkleitsysteme sind ebenso Informationssysteme, die zur Regulierung des Verkehrs beitragen. Die Daten über die Auslastung der jeweiligen Parkanlagen können in einer Statistik ausgewertet werden. Daraus ergibt sich z.B. die Erweiterung oder Schließung eines Parkplatzstandortes. (Auf Aktion folgt Reaktion aufgrund von Auswertung)

Systemmatrix-Kommunikation

  • Die Skizze erklärt die Kommunikation zwischen Mensch, virtuellem Raum und Architektur
  • Um zwischen realem und virtuellem Raum zu kommunizieren, bedarf es verschiedener Schnittstellen.
  • Die Benutzerschnittstelle ermöglicht den Austausch von Information zwischen Mensch und virtuellem Raum. Diese Schnittstelle ermöglicht eine Kommunikation in beide Richtungen.
  • Der virtuelle Raum reagiert auf die Benutzereingabe und transferiert sie in die reale Welt zurück. Dabei entstehen zwei Möglichkeiten, die eine Rückkopplung in den realen Raum ermöglichen:
    • Der direkte Einfluss auf die Architektur erfolgt durch einen Medien Transformator. Er legt eine weitere Wahrnehmungsebene über den realen Raum.
    • Der Betrachter muss die Szenerie neu erfassen, seine Wahrnehmung und Erkenntnis revidieren.
    • Der mediale Fremdkörper soll neugierig machen, er provoziert den Raum, er passt nicht in das gewöhnliche Erkennungsmuster.
    • In diesem Moment wird die Architektur lebendig, aus der erstarrten Masse wird eine liquide Form.

    • Über die Analyse-Schnittstelle findet eine Auswertung der aufgenommenen Daten statt. Sie umspannt den Benutzer und die Architektur.
    • Sie ist die Synthese aus der Benutzer- VR Kommunikation und der  VR-Architektur Kommunikation.
    • Hierarchiefrei und ohne eine Lobby wertet die Datenbankstatistik die Eingaben jedes Benutzers, so dass jeder das gleiche Gewicht im Entscheidungsfindungsprozess hat, sowie die Chance, auf  Architektur einzuwirken.  
    • Der Benutzer löst über Schnittstellen eine durch den virtuellen Raum transformierte Reaktion im realen Raum aus. Es ergibt sich ein dynamischer Raum, eine auf den Ergebnissen aufbauende Kommunikation.

Raumwahrnehmung

  • Die Wahrnehmung eines Ortes ist zwangsläufig gebunden an die physikalische Präsenz des Betrachters.
  • Nur eine ganzheitliche Erfassung führt zur Erkenntnis der besonderen Problematik des Ortes und bildet so die Grundlage für eine Benutzerdefinierte Umgestaltung.
  • Um die Zusammenhänge neu zu erfassen müssen jedoch erst einmal die alltäglichen Sichtweisen auf den Ort verändert werden, damit sich eine Vorstellungskraft entwickelt, was man mit diesem Ort machen könnte.
  • Dafür schlagen wir verschiedene Instrumente vor, die den Benutzer unterstützen, den Raum neu einzuordnen:
    1. Rundgang: Wahrnehmung der ortspezifischen Atmosphäre
    2. Informationen: Geschichtliche Daten, Entwicklungen, Besonderheiten, Statistiken, Pläne
    3. Hinterfragung: Kritische Auseinandersetzung mit dem Ort über Frage-Antwort Spiel
    4. Mediale Transformation: Störung des gewohnten Erkennungsmusters
  • Da das Internet die Atmosphäre eines Ortes noch nicht zufrieden stellend transportieren kann, ist eine physikalische Präsenz am Ort unerlässlich, um diesen Ort medial zu transformieren.

Systemkomponenten

  • Eine mögliche Hardwarelösung für den Rundgang und die Kommunikation ihrer Komponenten basiert auf einer Funkverbindung zwischen einem zentralen Server und mobilen Devices.

  • 03-InfographicServer: Das Museum als traditioneller Ort für Informationssammlung und Archivierung dient als Aufbewahrungsort des Servers und der gespeicherten Daten. Ein Besucher hat die Möglichkeit Rundgänger und deren Aktivitäten live zu beobachten. Damit übernimmt der Museumsbesucher die Rolle des Supervisors.
  • Infografik: Auf dem Display des Museums werden gesammelte und ausgewertete Serverdaten visualisiert und somit veröffentlicht. Die Infografik ist ein Spiegelbild der Datenbank.
  • 03-AccessPointAccess Point: Jeder Standpunkt wird durch einen Access Point markiert. Es handelt sich dabei um einen Verstärker der zwischen dem Pad und dem Server vermittelt. Um diese Vernetzung der Orte zu visualisieren werden die einzelnen Standpunkte durch Laserstrahlen verbunden.
  • Pad: Ein mobiles Computing System, das der Benutzer auf dem Rundgang mit sich führt. Es erlaubt den Zugriff auf ortspezifische Anwendungen, sobald es in den Schnittstellenbereich des Access Points gelangt. Außerhalb dieses Bereiches dient es als Routenplaner und Informationsportal.


Rundgang

  • Der Ausgangsort für den Rundgang ist das Museum für Gegenwartskunst. Er beinhaltet ausgewählte Orte in Siegen, die nach Ansicht der Verfasser eine Umgestaltung benötigen. Die Auswahl ist dabei beschränkt auf einen innerstädtischen Umkreis, da die Orte fußläufig erreichbar sein sollen.
  • Siegplatte
    • 04-SiegplatteDie Siegplatte, errichtet auf einem ehemaligen Parkgelände, überdeckt die Sieg mit einem Parkplatz. Der Fluss wird nicht als Teil des Stadtbildes wahrgenommen und verschwindet somit zunehmend aus dem Bewusstsein der Bürger. Eine an einem Fluss gelegene Stadt sollte ihren Bürgern die Qualitäten einer Flusslandschaft nicht vorenthalten, sondern frei zugänglich machen.
    • Indem er in Anlehnung an den Videospielklassiker Dynablaster Felder „freispielt“, kann der Anwender die Siegplatte „entfernen“ und somit die Sieg sichtbar machen. Als Symbol für die zurückgewonnenen Qualitäten einer Flusslandschaft wird das Wasser der Sieg über die Siegplatte geleitet. Mit jedem freigespielten Level entsteht eine Fontäne parallel zur Siegplatte. Aus der Summe der freigespielten Level aller Anwender ergibt sich eine veränderte Höhenamplitude der Fontäne, so dass die Summe der erreichten Spielstände ablesbar wird.
  • Bahnhofsvorplatz
    • 04-BahnhofAufgrund der Dichte und der guten Erreichbarkeit von Versorgungseinrichtungen in der Unterstadt nehmen in zunehmendem Maße Verbraucher das Versorgungsangebot dieses Quartiers war. Infolgedessen sind hohes Verkehrsaufkommen und Ballung von Versorgungs- und Dienstleistungseinrichtungen in der Unterstadt, sowie Abwanderung dieser Funktionen aus der Oberstadt zu beobachten. Somit kommt es zu einem weiteren Zerfall dieses Quartiers.
    • Marktplatz und Bahnhofsvorplatz bieten sich als Repräsentanten der beiden Viertel für den Rundgang an. Um der Sogwirkung entgegenzuwirken, sollen diese Standorte in einen Dialog treten und sich über das Medium Film kritisch hinterfragen und bewerten. Auf beiden Plätzen sind ferngesteuerte Kameras installiert, die als Sprachrohr der Bürger fungieren, sowie Bildschirme, welche die Funktion als „mediale Pranger“ übernehmen. Indem der Anwender die Kameras vor Ort steuert, soll er am Bahnhofsvorplatz ein kritisches Filmdokument erzeugen, das seine Meinung zu diesem Ort widerspiegelt. Diese bewegten Bilder einer interaktiven Meinungsumfrage werden in die Oberstadt transportiert und auf den Bildschirmen des Marktplatzes publiziert. Die Anwendung am Marktplatz verhält sich analog hierzu. Jeder Anwender wird folglich während des Rundgangs zum verantwortlichen Sender und Empfänger dieser Bilder. Die Orte stehen somit in permanenter dialogischer Verbindung.
  • Platz am Landgericht
    • 04-LandgerichtDer Platz zwischen Landgericht und City Galerie stellt sich dar als Brachfläche dar, die durch die Berliner Straße, die Morleystraße, sowie durch die Sieg begrenzt wird. Zudem wird sie überdeckt von einem HTS – Zubringer. Diese Lage, verbunden mit immensen Verkehrslärmbelästigungen, sowie die allgemeine Gestaltung des Platzes mindern in starkem Maße die städtebaulichen und sonstigen Qualitäten dieses zentral gelegenen Ortes. Verstärkt wird dieser Umstand durch das Hochhaus des Landgerichts, welches sich in unmittelbarer Nachbarschaft befindet und sich mit seiner monostrukturierten Lochfassade in Sichtbeton drohend über den Platz erhebt.
    • Musik als Symbol für Aktivität und ein Skaterpark als Zeichen für jugendliche Dynamik sollen dem Platz die Urbanität und Kommunikationsfähigkeit zurückgeben, die für solch einen zentralen Ort angemessen sind. Der Anwender soll Vorschläge für eine Umgestaltung der Landgerichtsfassade äußern. Dies geschieht indem er Bilder verschiedener Konstruktionen aus einer Datenbank auf die Fassade legt und eine Collage entwickelt. Jede Konstruktionsart ist mit einem Musiksample verknüpft, so dass die Anwendung eine Echtzeittransformation der Collage in eine Musikkomposition  vornehmen kann. Diese Komposition beschallt den verödeten Platz und sorgt auf diese Art und Weise für eine lebendige Dynamik.
  • Platz am Unteren Schloss
    • 04-UnteresSchlossDer Platz am Unteren Schloss stellt sich als unbelebte, verwaiste Fläche dar. Seit dem Versuch, den Platz nach historischem Vorbild zu rekonstruieren ist er der Öffentlichkeit weitgehend unzugänglich und verschwindet in zunehmenden Maße aus dem Bewusstsein der Bürger. Ein historisch bedeutsamer, zentral gelegener Platz sollte ein Treffpunkt und Kommunikationsort für alle Bürger sein und urbanes Leben bejahen.
    • Licht als Symbol für Aktivität und Leben setzt den Platz neu in Szene und akzentuiert ihn als Ort städtischen Lebens. Temporäres Mobiliar definiert neue Raumachsen und individuelle Raumzellen und lädt zum Verweilen ein. Nach einer Auseinandersetzung mit dem historischen Ort soll der Anwender diese medialen Ebenen steuern und konfigurieren. Während des Rundgangs nimmt er seine individuellen Einstellungen vor, speichert diese und lässt sie an einem selbst zu bestimmenden Termin generieren. Für jedes aktivierte Licht in der Simulation erhält er die Möglichkeit, eine Einladung zu diesem Termin in Form von kostenlosen SMS an Bekannte zu versenden. Der Anwender sucht nun unabhängig vom Rundgang den Platz ein zweites Mal auf, um seine vorher konfigurierten Einstellungen mit befreundeten oder fremden Menschen real zu erleben.
  • Oberes Schloss
    • 04-OberesSchlossDas Obere Schloss als höchstgelegener Ort der Oberstadt bildet den Abschluss einer wenig markanten, unscheinbaren Stadtsilhouette. Eine markante, weithin sichtbare Stadtsilhouette markiert das Zentrum einer Stadt, formt ihren Charakter und repräsentiert sie somit nach außen hin. Sie erhöht den Wiedererkennungswert und stärkt die Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt.
    • Auf dem Schlossturm mit seinem beeindruckenden Panoramablick über Siegen soll der Anwender eine neue, virtuelle Silhouette entwickeln und diese mit Hilfe digitaler Bildbearbeitung als Printmedium publizieren. Funktionssymbole, die zufällig vorgeschlagen werden, können implementiert, positioniert und entfernt werden. Aus der Funktionsmischung bzw. der Umstrukturierung der Funktionen entwickelt sich ein Bild einer markanten Silhouette; ein neues Wahrzeichens für Siegen. Dieses Bild kann jeder Zeit gesichert und mit dem eigenen Konterfei versehen werden. Der User kann dieses Zeugnis von medial manipulierter Wirklichkeit vor Ort drucken lassen und als Grußkarte versenden.
  • Marktplatz
    • 04-MarktplatzMarktplatz und Bahnhofsvorplatz bieten sich als Repräsentanten der beiden Viertel für den Rundgang an. Um der Sogwirkung entgegenzuwirken, sollen diese Standorte in einen Dialog treten und sich über das Medium Film kritisch hinterfragen und bewerten. Auf beiden Plätzen sind ferngesteuerte Kameras installiert, die als Sprachrohr der Bürger fungieren, sowie Bildschirme, welche die Funktion als „mediale Pranger“ übernehmen. Indem der Anwender die Kameras vor Ort steuert, soll er am Marktplatz ein kritisches Filmdokument erzeugen, das seine Meinung zu diesem Ort widerspiegelt. Diese bewegten Bilder einer interaktiven Meinungsumfrage werden in die Oberstadt transportiert und auf den Bildschirmen des Bahnvorplatzes publiziert. Jeder Anwender wird folglich während des Rundgangs zum verantwortlichen Sender und Empfänger dieser Bilder. Die Orte stehen somit in permanenter dialogischer Verbindung.

Resümee

  • Der intermediale Stadtrundgang in Siegen ist ein Masterplan für eine Rekultivierung von öffentlichen Plätzen und architektonischen Brennpunkten.
  • Dies geschieht durch eine Schärfung des öffentlichen Bewusstseins für diese Problematik und durch die Einbeziehung der Bürger an der Lösung der Probleme.
  • Es wird eine Schnittstelle geschaffen, mit der der Benutzer über mediale Ebenen auf die Architektur einwirken kann.
  • Der Stadtraum wirkt interaktiv auf die Einflussnahme. Es entsteht ein Dialog zwischen Anwender und öffentlichem Raum.
  • Die Einflussnahme ist dabei nicht nur für die Anwender ersichtlich, sondern ebenso für Außenstehende.
  • Der Stadtparcours ist eine offene, jederzeit erweiterbare Struktur. Weitere Orte und Medien können in den Rundgang integriert werden. Dies kann z.B. durch künstlerische Wettbewerbe ermöglicht werden.